====== Notenanalyse ====== * Notenanalyse mit [[basics1|music21: Basics]] und [[advanced1|Advanced]] * Notenanalyse mit dem [[Interaktive Musikanalyse|Interaktiven Musikanalyse-Tool (I-MaT)]] * Notenanalyse mit [[camat|CAMAT (Computer-aided Music Analysis Tool): Basics]] und [[advanced_camat|Advanced]] Die auf diesen Websites bereitgestellten Module, Tutorien und Software-Tools führen in verschiedene Möglichkeiten der computergestützten Analyse von Notendateien ein. \\ Die Unterrichtseinheiten können im Selbststudium oder innerhalb von Lehrveranstaltungen durchgeführt werden. Die Dauer der Unterrichtseinheiten beträgt ca. 4-6 Stunden oder drei Sitzungen einer 90-minütigen mit zusätzlichen Vorbereitungen, Hausaufgaben und optionalen Vertiefungen. [[tutorials|Hier]] finden Sie eine Liste aller in Projektverlauf erstellten Tutorials. ====Die Tools==== Sie können sich für einen der folgenden computergestüzten Zugänge zur Notenanalyse entscheiden: **1. [[basics1|music21]]** ist eine umfangreiche, am MIT in Boston entwickelte //Python//-Libary für die Notendarstellung und -verarbeitung, aus der einige Module zur Visualisierung, statischen Beschreibung und Motivsuche übernommen und in Tutorials anhand von Beispielen aufbereitet wurden. Diese im Fellowship-Projekt entwickelten Tutorials werden als //Jupyter-Notebooks// (im Browser) ausgeführt. Zur Bedienung sind nur rudimentäre Kenntnisse der //Python-//Befehlssyntax erforderlich, die in den Tutorials vermittelt werden. Die Noten werden innerhalb der //Jupyter-Notebooks// im Browser dargestellt, insofern ein Noteneditor (z.B. //MuseScore//) installiert wurde. Voraussetzung ist zudem die Installation von //Anaconda// bzw. //Miniconda// und der projektspezifischen Python-Umgebung (hfm_x_x.yml in der aktuellen Version). **2.** Das **[[Interaktive Musikanalyse|Interaktiven Musikanalyse-Tool (I-MaT)]]** basiert auf der Funktionalität von //music21//, läuft jedoch nicht als Jupyter Notebook im Browser, sondern in einem einfach zu bedienenden Befehlsfenster. Alle Ergebnisse (Grafiken, Tabellen) werden in externen Pop-Up-Fenstern dargestellt, Noten in externen Noteneditoren (MuseScore). \\ Da die Bedienung als einfache, 'interaktive' Optionsauswahl implementiert wurde, ist eine Kenntnis von Computerbefehlen oder einer Programmiersprache nicht erforderlich. Daher eignet sich das Tool hervorragend als niederschwelliger und umkomplizierter Einstieg in die Möglichkeiten der computergestützten Musikanalyse mit //music21//, ohne sich auf die Befehlssyntax von //python// und die Funktionsweise der //Jupyter Notebooks// einlassen zu müssen. **3. [[camat|CAMAT (Computer-aided Music Analysis Tool)]]** ist ein innerhalb des Fellowship-Projekt entwickeltes Tool, dessen Tutorials ebenfalls als //Jupyter-Notebooks// (im Browser) ausgeführt werden. Zur Bedienung sind nur rudimentäre Kenntnisse der //Python-//Befehlssyntax erforderlich, die in den Tutorials vermittelt werden. \\ Grundlage von CAMAT ist eine innerhalb des Projektes entwickelte Datensstruktur (//pandas dataframe//), mit der MusicXML-Notendateien für eine flexible Visualisierung (mehrfarbige Pianorollendarstellung), für statistische Auswertungen (inkl. Grafiken und Tabellen) sowie für die Motivsuche aufbereitet werden. Voraussetzung ist die Installation von //Anaconda// bzw. //Miniconda// und der projektspezifischen Python-Umgebung (hfm_x_x.yml in der aktuellen Version). Die Notentexte können parallel in einem externen Noteneditor (z.B. MuseScore) angesehen und angehört werden. Doch nun zur Frage: ==== Warum analysieren wir Musik? ==== Es gibt sicherlich viele unterschiedliche Zielsetzungen für die Analyse von Musik. Grundlegend sind jedoch die folgenden beiden Motive: * Ich will etwas entdecken und erfahren, begreifen und verstehen, was sich mir beim ersten Hören verschließt: Wie kommt eine bestimmte Wirkung der Musik zustande? Woran liegt es, dass ich das Gehörte schön oder ergreifend oder spannend finde? * Oder ich will etwas veranschaulichen oder verdeutlichen – vor allem dann, wenn ich Anderen mein Erleben der Musik vermitteln und mit ihnen teilen will. Analyse als ein entdeckender und beschreibender Zugang zur Musik bedeutet immer, das musikalische Geschehen explizit zu machen, und ist damit ein Mittel für das Verstehen und eine Voraussetzung für das Vermitteln von Musik. Es gibt eine Reihe von Anwendungsbereichen und Zielsetzungen der musikalischen Analyse. Hier die vielleicht wichtigsten: * Stückanalyse: Die Besonderheiten eines bestimmten Stückes werden analytisch herausgearbeitet. Auf dieser Grundlage kann sodann eine Deutung und Interpretation des Stückes, z.B. hinsichtlich seiner spezifischen Wirkungen und Bedeutungen, erfolgen. * Stilanalyse: Die Beschreibung der Besonderheiten eines bestimmten Stiles in einem zeitlich oder regional abgegrenzten Bereich bzw. eines Personalstils. Dabei können exemplarisch einzelne Kompositionen oder Darbietungen untersucht werden, die typisch für einen bestimmten Stil sind - oder es wird versucht, den Stil aus einer Analyse von //allen// (oder möglichst vielen) Stücken herzuleiten. * Musikgeschichtliche und vergleichende Perspektive: Wie hängen verschiedene historische Musikstile auf einer Ebene der klanglichen Gestaltung miteinander zusammen - und worin unterscheiden sie sich voneinander? Die verschiedenen Vorgehensweisen und Ansätze der musikalischen Analyse können heute durch computergestützte Methoden der Visualisierung, der statistischen Auswertung und der gezielten Mustersuche erweitert werden. Hierum geht es in der Unterrichtseinheit zur Notenanalyse. Die methodischen Erweiterungen können und wollen das //Hören// der Musik und die Auseinandersetzung mit dem //Notentext// auf keinen Fall ersetzen - sondern wollen sie vielmehr erweitern und empirisch fundieren. ==== Notendateien und Noteneditoren ==== Digitale Noten gibt es heute in großer Anzahl als pdf-Dateien, die sich am Bildschirm anzeigen und mit einem Drucker ausdrucken lassen. Allerdings können die musikalischen Informationen in diesen Dateien nicht vom Computer ausgelesen und weiterverarbeitet werden. Computerlesbare Notendateien werden dagegen in speziellen Notenformaten kodiert, die sich in Editoren – einfachen Texteditoren oder spezialisierten Noteneditoren – bearbeiten lassen. Ein frühes Beispiel für ein computerlesbares Notenformat ist der //Essen Associative Code// ([[http://esac-data.org|EsAC]]), der für die Erfassung von Volksmusiksammlungen aus der ganzen Welt verwendet wurde. Die musikalischen Informationen können mit einem einfachen Texteditor angezeigt und bearbeitet werden. Hier das //Hildebrandslied//, das erste Beispiel in der Essen Folk Song Collection. Die Kodierung der Melodie (MEL) ist leicht zu entziffern: Zahlen stehen für Tonstufen (bezogen auf G = 1), die Striche für unterschiedliche Tonlängen; Leerzeichen sind Taktstriche (im 4/2-Takt). ALTDEU CUT[Das Hildebrandslied] REG[Europa, Mitteleuropa, Deutschland] KEY[A0001 04 G 4/2] MEL[1_ 3b_3b_4_4_ 5__5__ 0_5__5_ 5_6_7b_5_ 5__0_ 5_ 5_6_7b_5_ 6b__5__ 0_5_4_3b_ 5_3b_3b__ 0_3b_3b_3b_ 4_4_5__ 5__0_ 5_ 4_3b_3b_3b_ 2__1__ 0_5_5_.4 3b__0_ 5_ 6b_5_5_3b_ 4__5__ 0_4_3b3b1_ 1_-6_-7__ 1__. //] >> FCT[Romanze, Ballade, Lied] Es gibt zahlreiche weitere Notendateiformate. Gebräuchlich sind z.B. abc-Notation (.abc), MuseData (.mus), Lilypond (.py), kern (.krn) und MusicXML (.xml oder in komprimierter Form: .mxl bzw. .musicxml). Alle genannten Formate können mit der Python-Library //music21// in MusicXML-Dateien konvertiert werden. Dagegen haben kommerzielle Noteneditoren wie //Finale// oder //Sibelius// eigene Formate entwickelt, die nur auf diese Editoren zugeschnitten sind. [[musicxml|MusicXML]] (mit der Dateiendung .xml oder .mxml) ist eines der am weitesten verbreiteten Notenformate (vgl. [[https://www.musicxml.com/]], [[https://de.wikipedia.org/wiki/MusicXML]] und das [[musicxml|MusicXML-Tutorial]]). Das Format verwendet das Prinzip der //Extendable Markup Languages//, also der erweiterbaren Markierungssprachen, und liegt dem frei verfügbaren Noteneditor [[https://musescore.org/de|MuseScore]] zugrunde, kann aber auch von den meisten kommerziellen Noteneditoren gelesen und gespeichert werden. In den Unterrichtseinheiten werden ausschließlich MusicXML-Dateien sowie //MuseScore// als Tool zur Ansicht und Bearbeitung der Noten verwendet. Alle Notendateien in der Projekt-[[datenbank|Notendatenbank]] besitzen das unkomprimierte MusicXML-Format. ==== Computer-Tools zur Notenanalyse ==== Seit den 1990er Jahren wurden mehrere Software-Tools entwickelt, die Notendateien einlesen und mithilfe von programmierten Skripten analysieren können. Die wichtigsten sind: * [[https://www.humdrum.org|Humdrum Toolkit]] (C++) von David Huron, Ohio State University * [[https://www.jyu.fi/hytk/fi/laitokset/mutku/en/research/materials/miditoolbox|MIDI-Toolbox]] (Matlab) von Petri Toiviainen und Tuomas Eerola, University of Jyväskylä * [[https://web.mit.edu/music21/doc|music21]] (Python) von Michael Cuthbert, MIT Boston * [[http://jmir.sourceforge.net|jSymbolic]] (Java), Teil des //Single Interface for Music Score Searching and Analysis project (SIMSSA)//-Projektes Während eine C++-Umgebung (für Humdrum) sich für Computer-Laien nur schwer unter Windows installieren lässt und die MIDI-Toolbox eine (teure) Matlab-Lizenz voraussetzt, lässt sich //music21// vom MIT in Boston kostenfrei als Library in der Programmiersprache Python installieren. Aus diesem Grund fiel die Wahl in diesem Projekt auf //music21//. In den Tutorials lassen sich die //music21//-Befehle im Rahmen von sog. //Jupyter-Notebooks// komfortabel im Browser ansehen, ausführen und bearbeiten. Im Laufe der Konzeption der Unterrichtseinheiten stellte sich allerdings heraus, dass die Analyse-Befehle von //music21// gewisse Mängel in der Programmierung aufweisen. So werden etwa bei statistischen Abfragen in manchen Befehlen mehrstimmige Passagen, Akkorde und Pause nicht richtig verarbeitet. Die Jupyter-Notebooks mit //music21// geben jedoch trotz dieser kleineren Mängel einen guten Eindruck von den Möglichkeiten der computergestützten Notenanalyse. [[music21|Hier]] finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten grundlegenden music21-Befehle, die in den Tutorials verwendet werden. Aufgrund der Mängel von music21 wurde im Fellowship-Projekt das Tool //CAMAT// entwickelt, mit dem xml-Dateien mit einem eigenen //xml-Parser// direkt ausgelesen werden. //CAMAT// umfasst Python-Bibliotheken wie //pandas// und neu entwickelte Skripte zur Visualisierung, statistischen Auswertung und Mustersuche.