Eine Bestimmung von Beat und Tempo erfolgt bei den meisten MIR-Algorithmen in mehrere Schritten.
Zunächst werden über eine sog. Onset Detection die Anfänge von Klangereignissen ermittelt. Hierzu werden die Veränderungen innerhalb des gesamten Audio-Signals mit sog. Novelty-Funktionen gemessen. Bei einer großen Veränderungen bzw. einem hohen Novelty ist es wahrscheinlich, dass zu diesem Zeitpunkt ein neues Klangereignis beginnt.
Es gibt mehrere Zugänge, den Novelty-Wert zu messen:
Starten Sie den Sonic Visualiser. Laden Sie bitte die Datei Audio01.mp3. Wählen Sie im Menupunkt 'Transform' - 'Analysis by maker' - 'Queen Mary, University of London' - 'Note Onset Detector: Note Onsets...'.
Audio01. Es handelt sich um den Ausschnitt aus dem Track „Bucephalus Bouncing Ball“ von Aphex Twin, den wir bereits im ersten in den Basis-Tutorials verwendet haben.
Im Fenster können Sie dann den Analyseansatz näher bestimmen:
- Program: Bitte wählen Sie hier die Option 'Percussive onsets', da im Audio hauptsächlich perkussive Klänge zu hören sind.
- Onset Detection Function Type: Durch die Wahl von 'Percussive onsets' springt der Detection-Typ automatisch auf 'Broadband Energy Rise', also den energiebasierten Detection-Ansatz. Behalten Sie diese Einstellung bei.
Wenn Sie OK drücken, öffnet sich ein Time Instants Layer auf dem die ermittelten Onsets durch vertikale Balken gekennzeichnet sind. Sie können sich die Onset-Impulse zusammen mit dem Audio anhören. Ganz unten auf dem Layer-Tab (rechts oberhalb des Geschwindigkeitsrädchens) befinden sich drei Symbole für die Abspielmodalitäten:
Auf der Grundlage von Regelmäßigkeiten der Onsets wird in einem Schritt ein möglicher Grundschlag (Beat) bestimmt. Dabei wird von bevorzugten Tempobereichen (zwischen ca. 40 bpm und 160 bpm) ausgegangen.
Was denken Sie: Wird ein Beat-Algorithmus bei dem Aphex-Twin-Ausschnitt einen Grundschlag finden können? Wie geht er mit der Beschleunigung der Schläge um?
Wenden Sie nun die 'Transform' - 'Analysis by maker' - 'Queen Mary, University of London' - 'Bar and Beat Tracker' auf die Audio01.mp3-Datei an. Ab wann findet der Algorithmus einen Beat? Wie interpretiert er die darauf folgenden Abschnitte? War Ihnen bereits zuvor aufgefallen, dass kurzen Abschnitte mit Beschleunigungen stets genau acht Schläge (zwei Takte) lang sind?
Im Plugin-Fenster können Sie einstellen, wie viele Schläge ein Takt der Aufnahme hat. Der Algorithmus zählt dann die Beats zyklisch durch. Allerdings versagt er dabei, den Taktanfang richtig zu bestimmen.
Wenden Sie nun dasselbe Plugin (Strg T) auf Audio02.mp3 ("Come Back, Baby" von Ray Charles) an. Da es sich um einen 12/8-Takt handelt, können Sie im Plugin-Fenster '12' einstellen. Wie verlässlich findet das Plugin den Beat der Aufnahme? Und den Taktanfang?
Die Tempo-Bestimmung kann natürlich nur so verlässlich sein, wie die Beat-Detection. Da in „Come Back, Baby“ nur in manchen Passagen der Achtel-Grundbeat erkannt wird - während in anderen annähernd eine punktierte Achtel als Grundbeat angesehen wird -, müssen für die korrekte Tempo-Bestimmung jene Bereiche herangezogen werden, in denen der Beat-Klick mit dem Beat der Aufnahme übereinstimmt. In diesen Bereichen lässt sich das Tempo (in bpm = beats per minute) direkt mit folgendem Plugin ablesen: Transform - Analysis by maker - Queen Mary, University of London - Tempo and Beat Tracker.
Zur Vertiefung der Thematik konsultieren Sie bitte das Chapter 6: Tempo and Beat Tracking der FMP-Notebooks von Meinard Müller.
Eine weitere hilfreiche Einführung in die Möglichkeiten des Sonic Visualiser für die musikwissenschaftliche Analyse, bei der die Erforschung des Mikrotimings von Musikaufnahmen klassischer Musik im Mittelpunkt steht, ist A musicologist's guide to Sonic Visualiser von Nicholas Cook und Daniel Leech-Wilkinson.