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Notenanalyse

Die auf diesen Websites bereitgestellten Module, Tutorien und Software-Tools führen in verschiedene Möglichkeiten der computergestützten Analyse von Notendateien ein.
Die Unterrichtseinheiten können im Selbststudium oder innerhalb von Lehrveranstaltungen durchgeführt werden. Die Dauer der Unterrichtseinheiten beträgt ca. 4-6 Stunden oder drei Sitzungen einer 90-minütigen mit zusätzlichen Vorbereitungen, Hausaufgaben und optionalen Vertiefungen. Hier finden Sie eine Liste aller in Projektverlauf erstellten Tutorials.

Sie können sich für einen der folgenden computergestüzten Zugänge zur Notenanalyse entscheiden:

1. music21 ist eine umfangreiche, am MIT in Boston entwickelte Python-Libary für die Notendarstellung und -verarbeitung, aus der einige Module zur Visualisierung, statischen Beschreibung und Motivsuche übernommen und in Tutorials anhand von Beispielen aufbereitet wurden. Diese im Fellowship-Projekt entwickelten Tutorials werden als Jupyter-Notebooks (im Browser) ausgeführt. Zur Bedienung sind nur rudimentäre Kenntnisse der Python-Befehlssyntax erforderlich, die in den Tutorials vermittelt werden. Die Noten werden innerhalb der Jupyter-Notebooks im Browser dargestellt, insofern ein Noteneditor (z.B. MuseScore) installiert wurde. Voraussetzung ist zudem die Installation von Anaconda bzw. Miniconda und der projektspezifischen Python-Umgebung (hfm_x_x.yml in der aktuellen Version).

2. Das Interaktiven Musikanalyse-Tool (I-MaT) basiert auf der Funktionalität von music21, läuft jedoch nicht als Jupyter Notebook im Browser, sondern in einem einfach zu bedienenden Befehlsfenster. Alle Ergebnisse (Grafiken, Tabellen) werden in externen Pop-Up-Fenstern dargestellt, Noten in externen Noteneditoren (MuseScore).
Da die Bedienung als einfache, 'interaktive' Optionsauswahl implementiert wurde, ist eine Kenntnis von Computerbefehlen oder einer Programmiersprache nicht erforderlich. Daher eignet sich das Tool hervorragend als niederschwelliger und umkomplizierter Einstieg in die Möglichkeiten der computergestützten Musikanalyse mit music21, ohne sich auf die Befehlssyntax von python und die Funktionsweise der Jupyter Notebooks einlassen zu müssen.

3. CAMAT (Computer-aided Music Analysis Tool) ist ein innerhalb des Fellowship-Projekt entwickeltes Tool, dessen Tutorials ebenfalls als Jupyter-Notebooks (im Browser) ausgeführt werden. Zur Bedienung sind nur rudimentäre Kenntnisse der Python-Befehlssyntax erforderlich, die in den Tutorials vermittelt werden.
Grundlage von CAMAT ist eine innerhalb des Projektes entwickelte Datensstruktur (pandas dataframe), mit der MusicXML-Notendateien für eine flexible Visualisierung (mehrfarbige Pianorollendarstellung), für statistische Auswertungen (inkl. Grafiken und Tabellen) sowie für die Motivsuche aufbereitet werden. Voraussetzung ist die Installation von Anaconda bzw. Miniconda und der projektspezifischen Python-Umgebung (hfm_x_x.yml in der aktuellen Version). Die Notentexte können parallel in einem externen Noteneditor (z.B. MuseScore) angesehen und angehört werden.

Doch nun zur Frage:

Es gibt sicherlich viele unterschiedliche Zielsetzungen für die Analyse von Musik. Grundlegend sind jedoch die folgenden beiden Motive:

  • Ich will etwas entdecken und erfahren, begreifen und verstehen, was sich mir beim ersten Hören verschließt: Wie kommt eine bestimmte Wirkung der Musik zustande? Woran liegt es, dass ich das Gehörte schön oder ergreifend oder spannend finde?
  • Oder ich will etwas veranschaulichen oder verdeutlichen – vor allem dann, wenn ich Anderen mein Erleben der Musik vermitteln und mit ihnen teilen will.

Analyse als ein entdeckender und beschreibender Zugang zur Musik bedeutet immer, das musikalische Geschehen explizit zu machen, und ist damit ein Mittel für das Verstehen und eine Voraussetzung für das Vermitteln von Musik.

Es gibt eine Reihe von Anwendungsbereichen und Zielsetzungen der musikalischen Analyse. Hier die vielleicht wichtigsten:

  • Stückanalyse: Die Besonderheiten eines bestimmten Stückes werden analytisch herausgearbeitet. Auf dieser Grundlage kann sodann eine Deutung und Interpretation des Stückes, z.B. hinsichtlich seiner spezifischen Wirkungen und Bedeutungen, erfolgen.
  • Stilanalyse: Die Beschreibung der Besonderheiten eines bestimmten Stiles in einem zeitlich oder regional abgegrenzten Bereich bzw. eines Personalstils. Dabei können exemplarisch einzelne Kompositionen oder Darbietungen untersucht werden, die typisch für einen bestimmten Stil sind - oder es wird versucht, den Stil aus einer Analyse von allen (oder möglichst vielen) Stücken herzuleiten.
  • Musikgeschichtliche und vergleichende Perspektive: Wie hängen verschiedene historische Musikstile auf einer Ebene der klanglichen Gestaltung miteinander zusammen - und worin unterscheiden sie sich voneinander?

Die verschiedenen Vorgehensweisen und Ansätze der musikalischen Analyse können heute durch computergestützte Methoden der Visualisierung, der statistischen Auswertung und der gezielten Mustersuche erweitert werden. Hierum geht es in der Unterrichtseinheit zur Notenanalyse.

Die methodischen Erweiterungen können und wollen das Hören der Musik und die Auseinandersetzung mit dem Notentext auf keinen Fall ersetzen - sondern wollen sie vielmehr erweitern und empirisch fundieren.

Digitale Noten gibt es heute in großer Anzahl als pdf-Dateien, die sich am Bildschirm anzeigen und mit einem Drucker ausdrucken lassen. Allerdings können die musikalischen Informationen in diesen Dateien nicht vom Computer ausgelesen und weiterverarbeitet werden. Computerlesbare Notendateien werden dagegen in speziellen Notenformaten kodiert, die sich in Editoren – einfachen Texteditoren oder spezialisierten Noteneditoren – bearbeiten lassen.

Ein frühes Beispiel für ein computerlesbares Notenformat ist der Essen Associative Code (EsAC), der für die Erfassung von Volksmusiksammlungen aus der ganzen Welt verwendet wurde. Die musikalischen Informationen können mit einem einfachen Texteditor angezeigt und bearbeitet werden. Hier das Hildebrandslied, das erste Beispiel in der Essen Folk Song Collection. Die Kodierung der Melodie (MEL) ist leicht zu entziffern: Zahlen stehen für Tonstufen (bezogen auf G = 1), die Striche für unterschiedliche Tonlängen; Leerzeichen sind Taktstriche (im 4/2-Takt).

 ALTDEU
 CUT[Das Hildebrandslied]
 REG[Europa, Mitteleuropa, Deutschland]
 KEY[A0001  04  G 4/2]
 MEL[1_  3b_3b_4_4_  5__5__
  0_5__5_  5_6_7b_5_  5__0_
  5_  5_6_7b_5_  6b__5__
  0_5_4_3b_  5_3b_3b__
  0_3b_3b_3b_  4_4_5__  5__0_
  5_  4_3b_3b_3b_  2__1__
  0_5_5_.4  3b__0_
  5_  6b_5_5_3b_  4__5__
  0_4_3b3b1_  1_-6_-7__  1__. //] >>
 FCT[Romanze, Ballade, Lied]

Es gibt zahlreiche weitere Notendateiformate. Gebräuchlich sind z.B. abc-Notation (.abc), MuseData (.mus), Lilypond (.py), kern (.krn) und MusicXML (.xml oder in komprimierter Form: .mxl bzw. .musicxml). Alle genannten Formate können mit der Python-Library music21 in MusicXML-Dateien konvertiert werden. Dagegen haben kommerzielle Noteneditoren wie Finale oder Sibelius eigene Formate entwickelt, die nur auf diese Editoren zugeschnitten sind.

MusicXML (mit der Dateiendung .xml oder .mxml) ist eines der am weitesten verbreiteten Notenformate (vgl. https://www.musicxml.com/, https://de.wikipedia.org/wiki/MusicXML und das MusicXML-Tutorial). Das Format verwendet das Prinzip der Extendable Markup Languages, also der erweiterbaren Markierungssprachen, und liegt dem frei verfügbaren Noteneditor MuseScore zugrunde, kann aber auch von den meisten kommerziellen Noteneditoren gelesen und gespeichert werden. In den Unterrichtseinheiten werden ausschließlich MusicXML-Dateien sowie MuseScore als Tool zur Ansicht und Bearbeitung der Noten verwendet. Alle Notendateien in der Projekt-Notendatenbank besitzen das unkomprimierte MusicXML-Format.

Seit den 1990er Jahren wurden mehrere Software-Tools entwickelt, die Notendateien einlesen und mithilfe von programmierten Skripten analysieren können. Die wichtigsten sind:

  • Humdrum Toolkit (C++) von David Huron, Ohio State University
  • MIDI-Toolbox (Matlab) von Petri Toiviainen und Tuomas Eerola, University of Jyväskylä
  • music21 (Python) von Michael Cuthbert, MIT Boston
  • jSymbolic (Java), Teil des Single Interface for Music Score Searching and Analysis project (SIMSSA)-Projektes

Während eine C++-Umgebung (für Humdrum) sich für Computer-Laien nur schwer unter Windows installieren lässt und die MIDI-Toolbox eine (teure) Matlab-Lizenz voraussetzt, lässt sich music21 vom MIT in Boston kostenfrei als Library in der Programmiersprache Python installieren. Aus diesem Grund fiel die Wahl in diesem Projekt auf music21. In den Tutorials lassen sich die music21-Befehle im Rahmen von sog. Jupyter-Notebooks komfortabel im Browser ansehen, ausführen und bearbeiten.

Im Laufe der Konzeption der Unterrichtseinheiten stellte sich allerdings heraus, dass die Analyse-Befehle von music21 gewisse Mängel in der Programmierung aufweisen. So werden etwa bei statistischen Abfragen in manchen Befehlen mehrstimmige Passagen, Akkorde und Pause nicht richtig verarbeitet. Die Jupyter-Notebooks mit music21 geben jedoch trotz dieser kleineren Mängel einen guten Eindruck von den Möglichkeiten der computergestützten Notenanalyse. Hier finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten grundlegenden music21-Befehle, die in den Tutorials verwendet werden.

Aufgrund der Mängel von music21 wurde im Fellowship-Projekt das Tool CAMAT entwickelt, mit dem xml-Dateien mit einem eigenen xml-Parser direkt ausgelesen werden. CAMAT umfasst Python-Bibliotheken wie pandas und neu entwickelte Skripte zur Visualisierung, statistischen Auswertung und Mustersuche.

  • noten.txt
  • Zuletzt geändert: 2023/08/23 18:11
  • von sebastiane